Bild: VRDAYS Zürich
Vergangenes Wochenende (29. – 30.09) fanden die VRDAYS Zürich (vrdays.ch) in Oerlikon statt. Die erste Ausgabe des Virtual Reality-Festivals widmete sich dem Thema VR und AR, wobei der Fokus eindeutig auf VR lag.
Das Programm setzte sich aus Workshops, Aufführungen und einer Ausstellung zusammen. Der Ausstellerraum war überschaubar und gab einen Eindruck, was sich auf dem Schweizer Markt tut. Klar, die Hardware, wie HTC Vice, Oculus Rift, Microsoft Hololens, PlayStation 4 (PS4), kommt aus dem Ausland. Aber es geht um die Anwendungszwecke. Ich habe mich vor allem die seriösen Cases angeschaut, bzw. Cases mit einem konkreten Nutzen anstatt reine Entertainment-Anwendungen.
Rehabilitation – Physiotherapie
Gleich im Foyer stösst man auf zwei Anbieter von VR-Anwendungen für die Physiotherapie. Der Limbic Chair (limbic-life.com) soll die Beweglichkeit der Hüften fördern. Die VR-Brille dient dazu, die therapeutischen Übungen zu verfolgen und den Blick zu fixieren, sodass der Patient den Oberkörper nicht mitbewegt, und dadurch die Hüften nicht korrekt bewegt. Zieht man die VR-Brille an, so sieht man auf einer grossen 2D-Leinwand einen Ball, den nun mit den Oberschenkeln gemäss bestimmten Anleitungen fortzubewegen ist. Der Ball verfolgt genau die Beinbewegungen, er visualisiert sozusagen die Körperbewegungen. Der Limbic Chair reagiert kontinuierlich auf die Körperbewegungen und ist überraschend bequem. Limbic Chair ist eine schweizerische Erfindung.
Produktvideo: https://youtu.be/ihWW2Kd3QnY
Der Icaros-Flugsimulator wurde in München entwickelt und war vom Internet-Phänomen Plankinginspiriert. Fitnesszentren brauchen immer etwas Neues, sodass es ihren Kunden nicht langweilig wird und sie das Training aufgeben. Viele Festivalbesucher wollen den Icaros Flugsimulator ausprobieren und stehen Schlange. Zuerst legt man sich, auf Unterarme und Beine gestützt, die Planking-Position eben, auf das Gerät. Gewöhnungsbedürftig ist das Fitness-Gerät allerdings, deshalb wird zuerst ohne Brille geübt, und das Gerät kalibriert. Dann zieht man die VR-Brille an und fliegt durch die Gegend, angefeuert durch den ganzen Körper.
Produktvideo: https://youtu.be/OMBxuWzfyko
Serious Stuff
Wer nun denkt, dass VR vor allem für Gaming attraktiv ist, darf langsam seine Meinung ändern. Zwei „seriöse“ Anwendungen haben mir besonders gefallen.
Wissensvermittlung zum Thema Nachhaltigkeit
In einem Heissluftballon überfliegt man die Zürcher Landschaft und kann an verschiedenen Orten landen und eine Informationsquelle besuchen, z.B. die ETH.
Mit dieser Lösung steht man physisch in einer geschlossenen Box von ca. zwei Quadratmetern, gestaltet wie ein Luftballonkorb. Dieser Set-up gibt Sicherheit beim Bewegen.
Die Reise startet in einem urchig eingerichteten Estrich. Der Begleiter, eine flott sprechende Eule, sitzt auf einem Dachbalken und gibt eine Einführung in das Thema der Nachhaltigkeit. Kurz darauf steigt man in den Luftballon ein, und schon bald überblickt man aus der Höhe die Stadt und die umliegende Gegend. Manchmal flattert die Eule um den Ballon herum, mal sitzt sie ganz nah auf der Korbbrüstung, und muntert einen auf, sein Wissen über Nachhaltigkeit zu vertiefen und zu testen. Ich bin bei der ETH ausgestiegen, bzw. ich wurde in die beeindruckende Halle des Hauptgebäudes teleportiert. Dort durfte ich dann gleich einen kleinen Multiple-Choice-Test bestreiten. Meine Antworten wähle ich aus, in dem ich mit dem Controller auf eine Antwort klicke. Bei richtigen Antworten geht ein Confetti-Feuerwerk los. Hier breche ich die Reise ab, weil sich erste Anzeichen von Übelkeit bemerkbar machen (ich habe ein ziemlich empfindliches Gleichgewichtsorgan).
Hardware: HTC Vive
Hersteller: cymmersion.com
Produktdemonstration einer neuartigen Verpackung
Ein Verpackungshersteller hat eine neuartige Kartonschachtel entwickelt, die verhindert, dass die aufeinandergestapelten Schachteln im LKW rutschen und umkippen. Ausserdem werden die Gegenstände in der Schachtel zwischen zwei Membranen eingeklemmt, die das Schütteln beim Fahren abfedern, sodass das Objekt quasi schockfrei verpackt ist. Um dies demonstriert zu bekommen, setze ich die VR-Brille auf, in jeder Hand halte ich einen Controller. Ich steige in den Lift und fahre in die Lagerhalle im Untergeschoss. Die Lagerhalle sieht sehr realistisch aus. Rechts von mir ist ein Tisch mit einigen Objekten sowie die neuartige Schachtel. Ich kann ein Objekt greifen und es zwischen den Membranen platzieren, die Schachtel schütteln, die Reaktionen vom Objekt und von den Membranen beobachten.
Ich lege das Objekt in die Schachtel, die Membran fibriert leicht bis zum Stillstand. Ich muss ein wenig mit meinen virtuellen Händen üben, um der Deckel in die richtige Position zu bringen und die Schachtel zu schliessen. Nun drücke ich auf einen grünen Knopf und die Demo startet. Auf dem linken Gabellift befindet sich ein hoher Stapel von den neuartigen Schachteln, auf dem rechten ein Stapel herkömmlicher Schachteln. Beide Gabellifte beginnen arg zu wackeln, der linke Stapel bleibt, wie zu erwarten stabil, der rechte beginnt gefährlich zu rutschen. Die Demo überzeugt.
Ich fahre noch kurz mit dem Lift eine Etage höher und stehe am Eingang eines Supermarktes. Auf einem Tisch liegen wiederum zwei Arten von Verpackung, herkömmliche und neuartige, die nicht reissen, wenn man sie öffnet. Mit meinen virtuellen Händen kann ich alles anfassen und ausprobieren.
Zum Abschluss (und als Goodie) fahre ich noch rasch in den höchsten Stock. Die Lifttür öffnet sich, ich trete auf den Mond, und links von mir weht die Fahne im Wind. Ein schönes virtuelles Erlebnis.
Die Installation ist mit HTC Vive und 2 Kameras in einer Distanz von ca. 4 Metern voneinander aufgebaut. Ich habe es lange ausgehalten, bis mich doch eine leichte Übelkeit überfiel. Ich konnte mich natürlich bewegen ohne Einschränkungen, und weil alle Raum- und Objektproportionen stimmig waren, die Qualität der 3D-Grafiken hoch, wenig Latenz, habe ich eine realistische und durchaus angenehme Erfahrung gemacht.
Hersteller: wise-entertainment.at
Fazit
Die Cases und die weiteren Demos, die ich gesehen habe, weisen alle noch grosses Verbesserungspotenzial an Performanz und Display-Auflösung auf. Ein Oculus Go- Display ist nicht mit einem Oculus Rift-Display vergleichbar. Das kann sich schnell ändern. Darum lohnt es sich, Festivals wie dieses zu besuchen, sei es nur, um die neuste Hardware mit realen Anwendungen selber erleben zu können.
Ich bin gespannt auf die zweite Ausgabe der VRDAYS Zürich.
Leave a Reply